PORTRÄT

„So werde ich eine Partei aus dem Boden stampfen. Eine gesunde Mi­schung aus Progres­siven und Konservativen. Nennen wir DIE PRÄ­SERVATIVEN. Ich weiß, der Begriff ist etwas elastisch. 
Aber man muss Gummi geben. Die Gründung findet übrigens am Pariser Platz statt.“

Michaela Dudley
„Gier-Echt: Eine eingefleischt vegane Domina zieht vom Leder“ ©
Michaela Dudley, Kabarettistin und Journalistin

Die Berliner Kabarettistin Michaela Dudley, eine trans* Frau und Queerfeministin mit afroamerikanischen Wurzeln, verkörpert die Vielfalt am eigenen Leibe. „Eine bunte Nummer unter den Dunkelziffern“, erläutert sie mit entwaffnender Selbstironie. Die Kabarettistin ist auch Buchautorin, Journalistin, gelernte Juristin (Juris Dr., US), Keynote-Rednerin, und Filmschauspielerin, und Jurymitglied (Kompetenzzentreum der Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes; 37. Braunschweig International Film Festivals). In ihrem satirischen, feministischen Streifen GESCHLECHTERKAMPF: DAS ENDE DES PATRIARCHATS (2023) spielt sie sich selbst und erntet, für ihren Auftritt und ihre eigens entworfenenen Dialoge, viel Lob. Ihr autobiographisches Lied DIVA IN DIVERSITY (GEMA-Werknummer 24014395) erläutert viel dazu. Diese Diva in Diversity feiert die Farbenpracht des Regenbogens, aber sie nimmt die Wolken, die am Horizont lauern, durchaus wahr. 


„Die Entmenschlichung fängt mit dem Wort an, die Emanzipierung aber auch“, erklärt sie in ihrem 2022 erschienenen Buch RACE RELATIONS: ESSAYS ÜBER RASSISMUS (ISBN: 978-3-946625-61-2). 


Vom Jahrgang 1961 stammend, kennt sie wahrhaftig die Ära von Steinmauern an der Spree und Stonewall in der New Yorker Christopher Street. Im Schatten der Freiheitsstatue aufgewachsen, von der schwelenden Flamme des Aufbruchs geprägt. „Das liegt am Alter – oder am Altar. Im Ministrantendienst zündete ich Kerzen an. Heute bin ich Fackelträgerin – und mittlerweile Atheistin. Der liebe Gott weiß aber auch, warum“, fügt sie mit kaskadenartig übersprudelndem Witz hinzu. „Fakt ist, die Demokratie fällt nicht vom Himmel. Nein, sie muss diesseits erkämpft und erhalten werden. Auch und gerade mit den Mitteln der Kunst. Wer Mauern durchbrechen will, muss wiederum Brücken bauen können.“ 


In Berlin agiert Michaela Dudley tagsüber als Übersetzerin und Kommunikationsberaterin in ihrer Eigenschaft als Gründerin des Sprachdienstes www.adverbismax.de. 


Viele kennen Michaela Dudley auch als mehrjährige Kolumnistin bei der taz, und zwar dank ihrer wortgewaltigen Kolumne „Frau ohne Menstruationshintergrund“.  Vom Spree-Athener Pflaster aus nimmt sie Ikonen wie J.K. Rowling und Alice Schwarzer unerbittlich kritisch ins Visier und kreuzt die Klingen im Kampf gegen Querdenker*innen. Ihre sämtlichen taz-Erscheinungen finden Sie hier.


Dudley ist auch Kolumnistin beim LGBTQ-Magazin SIEGESSÄULE und bei Belltower.News. Sie schreibt überdies für die Zeitschriften Tagesspiegel / Queerspiegel, Zeit / Das Goethe, Missy und Rosa Mag. Ihre Bereiche, ob in Print- oder Online-Ausgaben, umfassen Feuilleton, Politik und Gesellschaft. Artikel dieser „eingefleischten Veganerin“ erscheinen übrigens auch beim Verlag GrünerSinn, dem Verlag ihres Buches RACE RELATIONS: ESSAYS ÜBER RASSISMUS. Die Journalistin, die seit Jahren über Events wie die Filmfeste Berlinale und Teddy-Awards sowie die Frankfurter Buchmesse und Leipziger Buchmesse berichtet, nebst Modenschauen und Konzerten, kennt sich die Diva in Diversity natürlich mit dem roten Teppich und dem Catwalk gut aus. Freilich kümmert sie sich umso engagierter um akute Brennpunktthemen wie Rassismus, sexuelle Diskriminierung, soziale Ungerechtigkeit und die Umwelt. 


Sie ist überdies Kolumnistin bei dem renommierten LGBTQ-Magazin SIEGESSÄULE, dem auflagenstärksten Stadtmagazin Berlins. Ebenda schreibt sie deutsch- und englischsprachige Artikel für die Print- und Online-Ausgaben. Ihre Bereiche umfassen Feuilleton, Politik und Sexualität. Als Diva in Diversity  ist die Expertin überdies eine gefragte Person. Siehe www.diva-in-diversity.com. Als Keynote-Rednerin tritt sie bei der Deutschen Bahn, dem Sender MDR und der Gewerkschaft wie EVG in Erscheinung.  An der Uni Hamburg referierte sie über die sexuelle Rollen­verteilung des Tangos, eines Tan­zes, der sich von Ma­chismo und Misogynie bis in die Moderne fortbewegt. Ihr Sachbuch „Tango hautnah – In der Wiege der Sinne“ (ISBN 978-3-92735-999-4) ist übrigens Vorlesungslite­ratur an der Uni Potsdam. Zudem unterstützt sie aktiv eine Berliner Initiative für Lohngerechtigkeit für Frauen. Im Hörfunk (WDR) und im Fernsehen (RBB, 3Sat) kommentiert sie als direktbetroffene Journalistin in puncto Reizthemen wie Integration und Toleranz. Für sie umfasst der Feminismus zudem selbstverständlich transidente Personen. Zum Black History Month 2020 präsentierte sie im Rahmen der intersektional tätigen Frauenkreise Berlin ihren performativen Vortrag „Gegen die gebleichten Mauern von Stonewall“  über die wahren Heldinnen der Stonewall-Rebellion, nämlich schwarze Transfrauen wie Marsha P. Johnson. Juni 2020 erschien sie erneut in der Kulturzeit (3Sat), diesmal betonend: „Ich bin eine Frau ohne Menstruationshintergrunde, aber mit Herzblut, in der Regel“. So kritisierte sie die gezwitscherten transphoben Traktate der Schriftstellerin J.K. Rowling.


2021 trat sie als Fotomodell und als historische Zeitzeugin im Zentrum der PRIDE-Kampagne von GAP / Zalando auf. In der begleitenden Videodokumentation mahnte sie mit ihrem Lied BE LOUD, BE PROUD (GEMA-Werknummer 27867820) ernahmend, wachsam zu sein. Auch als Covergirl auf der Titelseite des veganen Magazins Kochen ohne Knochen (#46 01/2022) kam sie zum Thema Diskriminierung zu Wort.


Michaela Dudleys Essays „Weimar 2.0: Reflexionen zwischen Regenbogen und Rosa Winkel“ (DE) und „Weimar 2.0: Reflections between the Rainbow and the Pink Triangle“ (EN) erscheinen in TO BE SEEN: QUEER LIVES 1900 – 1950.  Der von Karolina Kühn und Mirjam Zadoff herausgegebene Band entstand bei der Zusammenarbeit mit dem NS-Dokumentationszentrum München und wurde Oktober 2022 im Hirmer-Verlag veröffentlicht (ISBN: 978-3-7774-3992-1). 


Dudleys Essay „Ms. Ich statt Misogynoir: Eine Schwarze Feministin zwischen Stonewall und der Berliner Mauer“ ist ein integraler Bestandteil des Frühjahr 2022 im Orlanda-Verlag erschienenen Buches I AM MILLI (ISBN: 978-3-949545-27-6). In dem von Natasha Kelly herausgegebenen Buch beschäftigen sich insgesamt fünf Autor*innen mit den Ikonografien des Schwarzen Feminismus.


November 2022 im Rathaus Schöneberg von Berlin hielt dudley die Keynote-Rede zur Eröffnung des Diversity Festivals CROSSKULTUR. Die Veranstaltung, die im Willy-Brandt-Saal stattfand, war für die in den USA geborene Dudley von Gänsehaut und geschichtsträchtigen Anekdoten geprägt. Denn John F. Kennedy hatte Juni 1963 dort, eigentlich nur wenige Meter entfernt, seine berühmte „Ich-bin-ein-Berliner“-Rede gehalten.


Wenn Demagogen die Demo­kratie umar­men,
han­delt es sich um ei­nen Würgegriff!“

© Michaela Dudley.

Über Fundamentalismus, Fake News,
falsche Toleranz und die Herausforderungen
an die freie Presse im Interview 
mit RBB-Fernsehen (27. Juli 2019)

Michaela Dudley, Kabarettistin, Domina

Sado-Maßlose Satire


Abends tritt die Koryphäe allerdings als Domina in Erscheinung. Buchstäblich gestiefelt und gespornt, und zwar mitsamt Peitsche. Sie ist auf Anhieb fesselnd und federführend. Die Kleinkunstbühne ist ihre Domäne. Ihr sado-maßlos satirisches Programm lautet: „Gier-Echt: Eine eingefleischt vegane Domina zieht vom Leder“. Der Name ist Programm. Denn Michaela ist in der Tat eine Veganerin. Und eine Domina auch. Gewissermaßen mit "Lack" und Krach.

„Als Quer-, vielmehr Queer-Einsteigerin“, beteuert Michaela stolz. „Ähnlich wie ich mitten im Leben ins weibliche Geschlecht einstieg. Als schwarze Transsexuelle bin ich übrigens eine Frau ohne Menstruationshintergrund! Also, keine blutjunge Anfängerin.“

Es geht um Gier, aber auch um Gerechtigkeit. Die BDSM-Enthusiastin prangert die „Seilschaften an, die in der Gesellschaft so viele Opfer hängen lassen“, wie sie es zu schildern pflegt. Opfer von Armut, Lohndumping, Diskriminierung aller Arten. Gerade in ihrer Rolle als Domina kommt sie mit den Verursachern in Berührung – und davon erzählt sie in ihrem Programm. Die Bösen, die kaltblütigen Konjunkturritter, schmeißt sie mittels geistiger Gertenschläge aus dem Sattel. „Banker, Manager, Populisten“, erläutert sie mit verächtlich geschürzten Lippen, die sich alsdann zu einem süffisanten Schmollmund verziehen. „Tagsüber haben diese Nadelstreifenhelden das Sagen. Doch nachts zeige ich ihnen, wo es langgeht. Und beim Publikum stößt es auf Resonanz.“

Aber eine Domina als Engelin der Empathie? 

Why knot? Heiligtum und Hedonismus müssten sich nicht ausschließen. „Dabei rangiere ich ir­gendwo zwischen Mutter Theresa und Mother-Faker“, ergänzt Michaela selbstironisch. Während sie politisch nach links, rechts und que(e)r durch die Mitte austeilt, nimmt sich die Spätfünfzigerin auch or­dentlich in die Pflicht. So sehr sie den Genuss und den Glamour liebe, schätze sie die Ästhetik der Askese. 

Michaela Dudley, Kabarettistin

Als lyrisches Lästermaul kommt Michaela sowohl im Sprechkabarett als auch beim Singen gut zu Recht. Dabei wartet sie exklusiv mit ihren eigens komponierten und getexteten Liedern auf. Dazu gehört die Ballade DIE WÜRDE DES MENSCHEN IST UNTEN ANTASTBAR (GEMA-Werknummer 20496349), wobei diese nicht lediglich spitze Schläge unterhalb der Gürtellinie, sondern auch tiefsinnige Reflexio­nen über die Freiheit und die Liebe enthält.  Ihr Repertoire durchläuft das musikalische Spektrum von Rhythm & Blues mit I CAN'T STAND TO BE ALONE (GEMA-Werknummer 9879802), über den lustigen Ohrwurm JUBEL, TRUBEL, HEISERKEIT (GEMA-Werknummer 20909652) bis hin zu Varieté-Stücken im Stile der 1930er Jahre, darunter DAS SCHWEIGEN IST JA UNERHÖRT (GEMA-Werknummer 20635764). Letzteres Lied spricht die in der Gesellschaft fehlende Zivilcourage an, eine Begebenheit, die sie am eigenen Leibe erlebt bzw. überlebt hat.

Vor ein paar Jahren würde die Berlinerin, ausgerechnet in Köln, von vier transphoben Jugendlichen überfallen. Be­grapscht, be­leidigt, beklaut. „Die vielen Zeugen schauten nicht weg – sondern zu“, erklärt sie. Obwohl zu Boden ge­schlagen, stand die Läuferin auf. Sie wehrte sich mit einem Regen­schirm und jagte den verblüfften Angreifern hin­terher. Alleine, minutenlang. Ad­renalinstöße hoch drei. „Etwas iro­nisch, dass die testasteronstarken Täter in eine Sackgas­se gerieten“, bemerkt sie. „Ich sag's mal graphisch, vielmehr geographisch: Wer mich unaufgefordert anfasst, muss spüren, dass Silicon Valley und die Po-Ebene Sperrgebiete sind, vom Bermuda-Dreieck ganz zu schweigen.“ Als das Blaulicht endlich heranrückte, erga­ben sich die vier ohne Widerstand. Drei von ihnen wur­den Monate später in NRW verurteilt, und der Richter lobte Michaelas souveränes Handeln. 

Michaela Dudley, Kabarettistin, Domina

Das gestärkte Selbstbewusstsein kam ihr dann zugute, als sie vor Ort in Sachsen landete, diesmal wieder journalistisch, um über rechtsextreme Ausschreitungen zu schreiben. Freiwillig, sogar ohne Begleitschutz. Sie stieß prompt auf Skinheads und vor allem auf Nipsters (Neonazi-Hipsters), die sich fadenscheinig verharmlosend als „besorgte Bürger“ präsentierten. Man konnte Lunte riechen. „Bekehren konnte ich die Kerle wohl nicht, aber mir ging es um das Berichten“, betont sie. Ihre spannenden Erfahrungen dort verarbeitete sie in der SIEGESSÄULE. Siehe „Chemnitz Reaction / Chemnitzer Reaktion“ (Okt. 2018, S. 61). Mit ihrem zum 17. Mai 2019 veröffentlichten Internet Artikel „Weicht nicht, sondern wehrt Euch!“ richtet sie ermutigende Worte an LGBTQ-Leser*innen, sich nicht kleinkriegen zu lassen. „Auch wenn wir auffallen, müssen wir nicht umfallen“, unterstreicht sie. Das gilt wohl auch für Leute jenseits der Regenbogen-Community. Denn das gesunde Bedürfnis der Menschen überhaupt, frei zu sein, darf nicht unterdrückt werden. So finden Michaelas Einstellungen und Erlebnisse auch Einzig in ihr Programm, was bei ihrem erstaunlich diversen Kabarettpublikum tatsächlich Anklang findet. Selbst ihre bunten Analysen des schwarzweißen Schachspielens kommen unterhaltsam herüber. Die begeisterte, geradezu begnadete Schachspielerin (ELO-Zahl um die 2000) liebt natürlich die „Fesselung“, vor allem dann, wenn die schwarze Dame siegt. „Frau lernt aber auch beim Verlieren. Wichtig ist, die Umsetzen der Erkenntnisse danach über den Brettrand – und über die Bettkante hinaus. Wenn in einer Partie die gleiche Stellung drei Male wiederholt wird, kann keiner gewinnen. Wie auch in der Erotik! Es ist der Unterschied zwischen Remis und Remmidemmi.“

Nun die Gretchenfrage: Glaubt Michaela vielleicht doch noch an Gott?

„Jein“, antwortet sie dezidiert. „Aber wenn wir nicht an die Kraft der Menschheit glauben, müssen wir gleichsam daran glauben. Immerhin gehe ich bisweilen wieder in die Kirche. Na ja, die Kabine da ist wie ein Dark Room, nicht ganz ohne Reiz. Und wenn ich aus meinem Liebesleben beichte, da klebt der Pater regelrecht an seinem Stuhl!“

Das tun auch die Besucherinnen und Besucher, die Michaela auf der Kleinkunstbühne erleben.

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